Erste Schlüsselmomente: Synodaler Weg beschließt Reformen

Mit seiner dritten Plenarversammlung ist der Synodale Weg langsam aber sicher auf die Zielgerade eingebogen: Erste verbindliche Beschlüsse für Reformen in der Kirche wurden gefasst. Dabei waren die wegweisenden Entscheidungen keine Selbstläufer.

Von Roland Müller | Frankfurt am Main - 03.02.2022 Die Präsidentin des Synodalen Wegs wird sehr deutlich als sie über die dritte Plenarversammlung des kirchlichen Reformprozesses spricht: "Dies ist eine entscheidende Sitzung", sagt Irme Stetter-Karp, die auch Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist, am Donnerstag kurz bevor die Synodalversammlung in Frankfurt am Main beginnt. "Ein Ruck muss durch die Kirche gehen", fordert sie, denn die aktuelle Situation sei besonders kritisch. Viele Menschen wendeten sich von der Kirche ab, da das im Januar veröffentlichte Münchener Missbrauchsgutachten die sexuellen Vergehen von Klerikern an Kindern und Jugendlichen zum wiederholten Mal vor Augen geführt habe. Auch das Outing von 125 queeren Kirchenmitarbeitern in der vergangenen Woche habe das hässliche Gesicht der Kirche gezeigt – einer Kirche, die Menschen der queeren Community diskriminiere. Innerhalb dieser Krisensituation dürfe es dem Synodalen Weg jedoch nicht in erster Linie darum gehen, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen und weitere Kirchenaustritte zu verhindern, sondern den Missbrauchsbetroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, so Stetter-Karp zu Beginn der Synodalversammlung. Sie möchte den an die Synodalen gerichteten Erwartungen, nun "etwas zu reißen", nur zu gerne entsprechen und zeigt sich gemeinsam mit dem Co-Vorsitzenden des Synodalpräsidiums, Bischof Georg Bätzing, "sehr zuversichtlich", dass die nötigen Zweidrittelmehrheiten zusammenkommen, um erste verbindliche Beschlüsse zu fassen. Ihr Wunsch geht in Erfüllung, denn am Donnerstagabend stimmen mehr als 80 Prozent der Synodalen für die Annahme des 20-seitigen Grundsatzpapiers "Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung", der damit der erste offizielle Reformbeschluss des Synodalen Wegs ist. Auch im Episkopat findet sich die notwendige Mehrheit für den Text, der bei der dritten Synodalversammlung in zweiter Lesung besprochen wurde; 41 Bischöfe stimmen dafür, 16 dagegen. Doch die Annahme des Reformtextes, der die theologischen Grundlagen und Kriterien für weitere Beschlüsse skizziert, war kein Selbstläufer. In der vorausgehenden Debatte wurde ausgiebig über Verfahrensfragen bei der Abstimmung diskutiert und es gab vorübergehend Unklarheit darüber, ob es nun um die Ablehnung oder Annahme eines Änderungsvorschlags ging. HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies. Zwischenzeitlich hörten sich die Debatte wie eine Disputation unter Theologieprofessoren an. So wurde über theologische Erkenntnisquellen, sogenannte "loci theologici", diskutiert und darüber, ob der Text ein Lehramt der Theologie vertrete, das die bischöfliche Lehrautorität untergrabe. Bischöfe, wie Rudolf Voderholzer, Stefan Oster und Gregor Maria Hanke, die einem theologisch eher konservativen Spektrum zugeordnet werden können, brachten diese Punkte vor. Lehrstuhlinhaber, wie die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop oder der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff, hielten dagegen und verteidigten den Grundtext. Wie Nicht-Theologen diesen fachlichen Schlagabtausch wahrnahmen, zeigt ein Redebeitrag des Synodalen Christian Gärtner vom Eichstätter Diözesanrat. Er nennt das Papier einen "theologischen Text für Theologen". Verzicht auf Formulierung "Lehramt der Betroffenen" Außerdem verabschiedete die Synodalversammlung einen zweiten Beschluss. Das Papier mit dem Titel "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche - Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag" wurde mit einer Zustimmungsquote von 88 Prozent angenommen. Bei den Bischöfen stimmten 74 Prozent für das Papier, bei den nicht-männlichen Stimmberechtigten 92 Prozent. Zuvor hatte es eine ausgedehnte Diskussion über den Begriff des "Lehramtes der Betroffenen" gegeben, der im Text enthalten war. Nur rund 48 Prozent der Synodalen stimmten schließlich dafür, den Begriff beizubehalten. Im endgültigen Text ist daher nicht mehr vom "Lehramt der Betroffenen" die Rede, sondern von deren Stimme als Quelle der Theologie. In der Debatte über die Annahme des Papiers hatte Forumsmitglied Charlotte Kreuter-Kirchhof an die weitrechende Bedeutung der angestrebten Reformen beim Umgang mit Macht in der Kirche erinnert: "Seien Sie sich bewusst: Der Synodale Weg steht jetzt vor einem Schlüsselmoment." Dass die Synodalen großen Redebedarf haben, zeigte sich auch bei der vorausgegangenen generellen Aussprache zu Beginn der Versammlung. Das vorherrschende Thema war das Gutachten über die Missbrauchsfälle im Erzbistum München und Freising. Gleich zu Beginn der Debatte meldete sich der Regensburger Bischof Voderholzer zu Wort und verteidigte den emeritierten Papst Benedikt XVI. gegen die Vorwürfe der Vertuschung von Missbrauch in seiner Zeit als Erzbischof in der bayerischen Landeshauptstadt. Zudem zweifelte er die Wissenschaftlichkeit der Studie an. Weitere Synodale schlossen sich der Verteidigung von Joseph Ratzinger an, andere widersprachen vehement. Auch der derzeitige Münchener Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, meldete sich zu Wort und wies harsch Vorwürfe zurück, selbst Missbrauchsfälle vertuscht zu haben: "Das muss man mir beweisen." Das Interesse der Medienvertreter an Marx war groß, was sich etwa beim Bildtermin zeigte, als sich viele Fotografen regelrecht auf den Kardinal stürzten. HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies. Emotional wurde die Debatte, als viele Synodale ihrer Wut über die Kirchenkrise Luft machten. So berichtete etwa die Benediktinerin Philippa Rath, dass sich vermehrt Ordensleute bei ihr meldeten, die aus der Kirche austreten wollten. "Ich muss ihnen gestehen, dass ich heute nicht mehr genau weiß, ob ich meine Kirche noch lieben kann. Sie versuche es aber mit ganzer Kraft", bekannte sie. Die Erfahrungen der Ordensfrau zeigen, dass angesichts der aktuellen Lage der Kirche nicht nur fernstehende Katholiken und engagierte Gemeindemitglieder, sondern selbst Ordensangehörige mit der Kirche hadern. Der Theologe Matthias Sellmann äußerte sich als Familienvater und zeigte sich schockiert über die offenbar gewordene Gewalt gegen Kinder. Ulrich Hoffmann kritisierte die vor kurzem erfolgte Anerkennung der umstrittenen Katholischen Pfadfinderschaft Europas durch die Deutsche Bischofskonferenz, weil er darin einen Hinweis darauf sieht, dass die Kirche die Anliegen der Missbrauchsbetroffenen immer noch nicht verstanden hat. Auch die Krise im Erzbistum Köln wurde in der Debatte erwähnt. Für Aufsehen sorgte die Ankündigung von Bätzing, dass der Synodale Weg in einen engeren Austausch mit dem Vatikan treten werde. Kurzfristig sei der für die vatikanische Bischofssynode zuständige Kardinal Mario Grech mit Bätzing zusammengetroffen und beide hatten im Januar auch Papst Franziskus über Inhalte und Strukturen des Synodalen Wegs informiert. Dieser zeigte sich laut Bätzing sehr interessiert am deutschen Reformdialog, im Vatikan gebe es jedoch auch Skepsis gegenüber dem Synodalen Weg. Bätzing betonte, dass auch in anderen Teilen der Weltkirche ähnliche synodale Prozesse am Laufen seien – wohl um der Kritik Wind aus den Segeln zu nehmen, die Kirche in Deutschland gehe einen Sonderweg innerhalb der katholischen Kirche. In den Pausen gingen die Gespräche der Debatten unter den Synodalen an der Kaffeebar weiter – wenn auch nicht immer mit dem gebotenen Abstand aufgrund der Corona-Bestimmungen. Dabei sind ein täglicher Virus-Test und das dauerhafte Tragen einer Maske für alle Teilnehmer verpflichtend. Nicht ohne Stolz betonte Sitzungsleiter Weihbischof Wilfried Theising, dass mehr als 99 Prozent der teilnehmenden 218 Synodalen geimpft und 95 Prozent geboostert seien. Die aktuell sehr hohe Corona-Inzidenz von knapp 1.300 trübte bei der Synodalversammlung die Stimmung nicht – sehr wohl aber bei der Aktion der Reformgruppen zu Beginn des Treffens. Mitglieder der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) berichteten, dass es aufgrund der Corona-Gefahr derzeit nicht einfach sei, reformwillige Mitglieder von "#OutInChurch", "Wir sind Kirche" oder anderer Gruppen zur Mitwirkung an der Übergabe der Forderungen der Initiativen an das Präsidium des Synodalen Wegs zu bewegen. Das Ringen um Reformen durch die Synodalen ging trotz der teilweise zähen Diskussionen in der Synodalversammlung jedoch weiter. Die konzentrierten, aber langwierigen Debatten geben einen Ausblick auf das, was in den kommenden beiden Tagen der Synodalversammlung noch bevorsteht. Von Roland Müller

Meldung von www.katholisch.de

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